Reisetipps-Mongolei

Hochhäuser, Jurten und die wohl längste Kneipenmeile Asiens

Über 1,3 Millionen Einwohner, zweihunderttausend Fahrzeuge und drei Großkraftwerke, das ist nicht immer das, was ein Mongoleiurlauber sucht, aber kein Weg führt an Ulaanbaatar vorbei, wenn man in dem Land auf Tour gehen möchte. Vieles von dem Klischee der mongolischen Hauptstadt hat seinen Grund in der Diskrepanz zwischen dem was ein normaler Mongoleiurlauber in dem Land sucht und dem, was er in der Hauptstadt wahrnimmt. Die stellt sich einem Geschäftsreisenden oder demjenigen, der dort Bekannte besucht anders dar, als dem durchschnittlichen Reisenden der zwischen Jetlag und Reisevorbereitung dort ein, zwei Tage Stress pur erlebt.
Die Stadt ist aber weit besser als ihr Ruf. Natürlich haben sich zehn Jahre Stagnation im Baugeschehen, das Fehlen von öffentlichen Mitteln für die Infrastruktur und die laxe mongolische Haltung zu allem was vor der eigenen Wohnungstür liegt nicht unbedingt positiv ausgewirkt, aber es geht wieder vorwärts, die privaten Investitionen brummen, die Verwaltung beginnt wieder ihre Hausaufgaben zu machen und das Umland mit seinen Gebirgen und Wäldern war schon immer ein Pluspunkt gegenüber vielen anderen Großstädten dieser Welt.



Die Hochhausszenerie der Innenstadt wächst kontinuierlich

Seit dem Sommer 2006 ist die Metropole eine riesige Baustelle, ganze neue Stadtviertel entstehen und das kommt auch der Innenstadt zugute. Notdürftig zusammen gezimmerte Gebäude aus den 50er Jahren verschwinden, das Zentrum geht in die Höhe und wird verdichtet. Viele Schreiben, das wäre nicht die Mongolei aber so etwas ist natürlich Unsinn, denn hier leben über 40 Prozent aller Mongolen und das was hier abgeht ist in vielen Dingen ganz typisch mongolisch bis hin zu der Tatsache, dass ein fehlender Kanaldeckel in der Straße niemanden aufregt, weil ja die Löcher in den Pisten draußen noch viel größer sein können und das Leben nun mal von Risiken bestimmt wird.
Es ist auch typisch in Bezug auf das Nachtleben, man feiert wenn es irgendwie geht, die Kneipen sind voll, Diskotheken an jeder Ecke und wenn man keine Sperrstunde eingeführt hätte würden die letzten Lokale früh um sechs schließen.
um gleich mal die These aus der Überschrift aufzugreifen, die längste Kneipenmeile Asiens, das ist durchaus ernst gemeint, denn erstens braucht man in der Innenstadt wirklich kaum mehr als 50 Meter zurückzulegen um von einer Kneipe zur anderen zu gelangen und zum anderen zum anderen sind das auch wirklich Lokale, die auch ein Europäer akzeptieren würde. Wenn man in Hongkong oder Schanghai meilenweit für ein Fassbier laufen muss und abgesehen von langweiligen Hotelrestaurants nur noch Lokale antrifft, in denen man nach Verzehr seiner Suppe kaum noch Gründe sieht länger zu verweilen, sitzt man in UB für gewöhnlich bis zum Auskehr und trinkt in ziemlich geselliger Runde das eine ums andere Pilsener. Die sind im Übrigen auch wirklich gut und man verwendet viel Engagement darauf, dass die wie hierzulande schmecken und auch so serviert werden.
Also alles in allem eine sehr lebendige Kneipenszene mit der man sich durchaus anfreunden kann.



Im Hintergrund das Gebäude des Zirkus

Was hat die Stadt einem Touristen sonst noch so zu bieten, in erster Linie die drei historischen Tempelanlagen, das Gandankloster, das so genannte Maskenmuseum und den Palast des Bogd Khan, der letztere beherbergt auch ein kleines Museum, das einen Einblick in das Urga vor 100 Jahren bietet, das damals wirklich von aller Welt verlassen kaum Glanzpunkte vorweisen konnte. Das Gandankloster bietet vor allem den Einblick in einen lebendigen Klosterbetrieb und im Maskenmuseum kann man die architektonisch stilreinste Tempelanlage der Stadt besichtigen.

Ulaanbaatar.de - die deutschsprachige Webseite zur mongolischen Metropole




Innenstadtplan

Ist Ulaanbaatar die Mongolei?


Die Frage mag absurd klingen, niemand würde die Frage danach stellen, ob München Bayern ist oder Prag die Tschechei. Bei Leuten die in die Mongolei reisen scheint das anders zu sein. Redet man mit potentiellen Mongoleitouristen über die bevorstehende Reise, dann hört man den Nebensatz, Ulaanbaatar wollte man insbesondere recht schnell hinter sich lassen, weil man in die echte Mongolei will. Auch viele Reisereportagen beginnen damit, dass man jetzt raus fährt in die wirkliche Mongolei. Klar mag das daran liegen, dass der klassische Mongolei-Tourist das Traditionelle und die Natur sucht und er eine ganz persönliche Perspektive auf die Mongolei hat, aber daraus hat sich schon fast eine Gewissheit entwickelt, es gibt da Ulaanbaatar und dann kommt die richtige Mongolei. Lässt sich so eine These untermauern? Ich sage nein. Ulaanbaatar ist bei Leibe keine Retortenstadt, sie wurde zwar bis 1989 maßgeblich von sowjetischen Planern, ich sage bewusst sowjetischen, denn das Russische war in der Sowjetunion ja nur ein Teil der Einflüsse, in Ulaanbaatar waren auch Kasachen, Moldawier oder Georgier am Werken, sie wurde also sowjetisch gestaltet aber nach 1990 war das dann auch vorbei. Das was von 1990 bis heute planerisch und baulich passierte, das ist im Wesentlichen hausgemacht, es ist das Ergebnis mongolische Stadtplaner und Bauherren. Diese Gebäude hat niemand von außen den Mongolen dorthin gestellt, wie das manche Reportage vermitteln will. Der Mongole lebt sehr wohl und auch gern im 15. Stock eines Hochhauses, selbst wenn er vielleicht in einer Viehzüchter Jurte geboren wurde. Er hat aber auch gern seine Datsche, ein kleines Stück Land am Stadtrand, wo er im Sommer wohnen möchte. Das der Mongole, selbst der ländliche, trotz aller Klischees kein Problem mit Enge hat, sieht man auch auf dem Lande wenn man sich mal so ein Kreiszentrum anschaut, wo sich Jurte an Jurte reiht oder bei dem klassischen Geschiebe und Gedränge sobald sich mal mehr als einhundert Mongolen zusammenfinden. Man kann also erst mal konstatieren, zumindest ist diese Stadt das, was sich Mongolen unter einer Metropole vorstellen, natürlich immer gemessen an den Möglichkeiten.
Das war also sozusagen die Hülle, schaut man sich jetzt die Bewohner an, so muss man ganz klar sagen, das ist der gesamte Querschnitt des Landes. Die Hälfte der Landesbevölkerung, also keine Elite oder besondere Gruppe lebt hier. Von dieser Hälfte aller Mongolen wiederum ist die Hälfte gerade mal in den letzten 25 Jahren in diese Stadt gezogen, täglich kommen ganze Viehzüchterfamilien dazu. Natürlich wohnen viele davon erstmal in einer Jurte am Stadtrand, aber die cleversten unter ihnen schaffen es auch schnell in eine Stadtwohnung und zu einem urbanen Leben, in dem sie aber kaum auffallen. Nun gibt es wiederum europäische Reisende, die dann sagen, das ist ein ganz anderer Menschtyp in dieser Stadt. Auf dem Lande sind die Leute so gastfreundlich und in der Stadt doch so unfreundlich, dem würde ich aber auch entschieden wiedersprechen wollen. In der Stadt kommt der Tourist ja wohl eher mit der Verkäuferin, dem Kellner oder dem Mitarbeiter im Hotel zusammen, also professionellen Dienstleistern und dafür sind nun mal Mongolen generell nicht auf die Welt gekommen, sie machen diese Jobs, aber eben nur gerade so gut, dass es keinen Ärger gibt. Wie sieht es aber mit der Gastfreundschaft auf dem Lande aus, die existiert schon, aber sie basiert auf Traditionen und sie ist aber auch ganz einfach eine willkommene Abwechslung im Alltag der Viehzüchter. Im Grunde genommen verhält sich der Mongole in der Stadt kaum anders als der Viehzüchter auf dem Lande nur ist der Zugang des Reisenden ein ganz anderer.
Betrachtet man die ganze Stadt-Land Diskussion mal aus der kulturellen Perspektive, wobei ich in dem Fall kulturell als künstlerisch-kulturell verstanden wissen will, dann ist Ulaanbaatar eher das Herz als der Fremdkörper. Die mongolische Volkskunst, ob es der Obertongesang, die klassischen Instrumente oder die Malerei sind, ist heute eher das Produkt einer langwierigen Ausbildung als die Weitergabe von Fertigkeiten unter den Generationen einer Jurte. Um es mal ganz klar zu sagen, man wird auf dem Lande so gut wie gar keinen wirklich guten Obertonsänger oder eine perfekte Pferdekopfgeigenspielerin finden, ich habe in all den Jahren noch nicht einmal ein solches Instrument in einer Jurte liegen sehen. In dieser Frage geht der Punkt sogar ganz eindeutig nach Ulaanbaatar, wer traditionelle Musik auf hohem Niveau erleben möchte, der muss sich einfach in Ulaanbatar umsehen.
Die Stadt hat sich auch sonst auf ihre eigene, mongolische Art entwickelt. Sie stand kaum im Interesse internationaler Firmen oder Ketten. Die beiden Burgerbrater aus Übersee, zum Beispiel, hatten die Stadt 20 Jahre lang völlig ignoriert und die Mongolen haben ihre eigene Vorstellung davon entwickelt, Khaan Buuz war eine typisch mongolische Alternative. Wenn man auch heute mehr und mehr den langweiligen weltweiten Einheitstrends die Möglichkeit gibt sich festzusetzen, so kann man selbst da noch etwas typisch mongolisches erkennen, nämlich die Tatsache, dass man die Vielfalt zulässt. Man legt sich nicht darauf fest, ob man nun eher dem europäischen, amerikanischen oder koreanischen Style folgen will. Bei den Kaffees ist man voll auf Korea eingestellt, die Kneipen wollen eher tschechisch oder deutsch daherkommen und bei den Fastfood Läden geben mittlerweile doch die Amerikaner den Ton an und alle haben eines gemeinsam, die sagen wir mal, mongolische Art des Personals, was insbesondere bei den koreanischen Kaffees dazu führt, dass man merkt, man ist garantiert nicht in Korea. Sehr schnell hat man da in UB den Spruch „Willkommen bei… und den kleinen unterwürfigen Diener weggelassen, wenn ein Mongole das schauspielert wirkt es einfach nur makaber.
Zu guter Letzt muss man sogar konstatieren, selbst das Bild vom Leben als Nomade erfüllt der Hauptstädter zutreffender als der Viehzüchter im Changai. Der ist nämlich eher ein mit seiner unmittelbaren Heimat verbundener standorttreuer Zeitgenosse, er zieht von dem Sommer- in das Winterlager, sucht im Frühjahr noch ein auf Sichtweite stehenden Standort auf und das ganze läuft dann Jahr für Jahr immer wieder so ab. Am Ende seines Lebens hat der Viehzüchter im Changai gerade mal drei oder vier wirklich unterschiedliche „Wohnungen“ gehabt und seine weitesten Wege haben ihn ins Bezirkszentrum geführt, den sehr seltenen Besuch in der Hauptstadt mal außen vorgelassen. Und der Hauptstädter, der lebt den Nomaden förmlich aus, zum Studium nach Europa, dann mal ein paar Jahre in Korea oder den USA gejobbt. Ist er wieder zurück, wird sobald es die Gelegenheit ergibt nach Peking geflogen oder am Wochenende mit dem Zelt und dem Geländewagen irgendwo draußen zum Picknick und feiern gefahren.
Um jetzt wieder zur Ausgangsfrage zurückzukommen, ist Ulaanbaatar die Mongolei? Es ist vielleicht nicht das, was der Tourist für zwei Wochen sucht, wenn er Mongolei gebucht hat, aber es ist natürlich die Mongolei. Es ist nicht nur das wirtschaftliche Herz, es sind auch nahezu alle lebenswichtigen Organe. Es ist der Kopf, von hier aus wird nahezu alles gedacht, was irgendwie für das Land wichtig ist. Selbst wenn eine kleine Brücke irgendwo 1000 Kilometer im Westen kaputt geht, wartet der Bürgermeister dort, ob jemand aus Ulaanbaatar kommt und das Ding wieder in Ordnung bringt und die Stadt ist der Garant dafür, dass überhaupt noch Leute mit ihren Jurten und ihrem Vieh in der Steppe ein Auskommen haben. Davon abgesehen, gibt es Viehzüchter die in Jurten lebend, die Steppen beweiden in Kasachstan, in Kirigisien, in China und vielen angrenzenden Bereichen, Ulaanbaatar gibt es aber wirklich nur einmal, also ja, Ulaanbaatar ist die Mongolei!